Diabetes – die Volkskrankheit des 21. Jahrhunderts. Helfen Kraft- und Ausdauertraining?

von Dr. med. Marius Schulz-Schönhagen

Diabetes. Helfen Krafttraining und Ausdauertraining?

In Deutschland leiden mehr als 7 Millionen Menschen an Diabetes mellitus, einer Stoffwechselerkrankung, die auf Insulinresistenz oder Insulinmangel beruht. Der Leitbefund ist ein chronisch erhöhter Blutzuckerspiegel, der mit einem deutlich erhöhten Risiko für schwere Begleit- und Folgeerkrankungen einhergeht. Zu diesen zählen neben Herzkreislauferkrankungen (Herzinfarkt, Arteriosklerose) auch Blindheit, Nierenversagen und Nervenschädigungen [1]. Doch wie kann man diese Komplikationen verhindern? Welche Rolle spielen Kraft und Ausdauertraining in der Therapie?

Diabetes in Deutschland – Welche Formen gibt es und wie unterscheiden sie sich?

Diabetes mellitus kann in zwei Hauptformen eingeteilt werden [2]:

Typ-1-Diabetes beruht auf einem absoluten Mangel an Insulin infolge einer Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen des Pankreas (Bauchspeicheldrüse). Am höchsten ist die Neuerkrankungsrate bei Kindern zwischen 11 und 13 Jahren. Deshalb wurde diese Form früher auch als juveniler Diabetes bezeichnet. Er macht ca. 5-10% der Fälle in Deutschland aus.

Bei 90-95% der Fälle handelt es sich um Typ-2-Diabetes. Dieser ist in erster Linie auf ein vermindertes Ansprechen der Körperzellen auf Insulin sowie eine Funktionseinschränkung des Pankreas zurückzuführen. Diabetes mellitus Typ-2 macht sich meist erstmals nach dem 40. Lebensjahr bemerkbar und wurde deshalb früher auch als Altersdiabetes bezeichnet. Auslösende Faktoren sind neben einer genetischen Prädisposition fettreiche Ernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel. In den letzten Jahren wurde diese Form des Diabetes bei zunehmend jüngeren Patienten beobachtet, was den Lebensumständen unserer Wohlstandgesellschaft geschuldet ist. Eine gesunde, ausgewogene Ernährung und ausreichende körperliche Aktivität sind die wichtigsten präventiven Maßnahmen, um der Entwicklung eines Typ-2-Diabetes vorzubeugen.

Diabetes Typ-2 – Gewichtsabnahme der Weg zur Genesung?

Nach der oft zufälligen Diagnosestellung ist das Ziel jeder Diabetes Therapie, den Blutzuckerwert, das Cholesterin und den Blutdruck optimal einzustellen, um Folgeerkrankungen und Komplikationen zu verhindern [3].

Die meisten Patienten mit Diabetes Typ-2 könnten eine Blutzuckereinstellung allein durch eine Ernährungsumstellung, ausreichende Bewegung und Gewichtsreduktion erreichen. Bereits eine Gewichtsabnahme von 10 kg führt in einem frühen Stadium zu stabilen Blutzuckerwerte im Normbereich [4]. Eine umfassende Lebensstiländerung ist somit stets die Basis einer erfolgreichen Therapie und sollte immer einer oralen Antidiabetika-Therapie bzw. Insulin-Therapie vorrausgehen. Leider scheut die Mehrheit der Patienten den Gang ins Fitnessstudio oder auf die Tartanbahn. Viele verlangen nach einer Dauermedikation und lehnen sich entspannt zurück. Selbstverständlich ist es schwer sich von alten Gewohnheiten zu lösen. Es verlangt Disziplin, Überwindung und in vielen Fällen eine gute Aufklärungsarbeit durch den behandelnden Arzt. Dieser muss dem Patienten Ängste nehmen und Veränderungsmöglichkeiten aufzeigen.

Was bewirken Krafttraining und Ausdauertraining?

Doch wie beeinflusst körperliche Aktivität den Blutzuckerwert? Die Aufrechterhaltung eines normalen Blutzuckerspiegels wird beim Gesunden durch ein permanentes Zusammenspiel des endokrinen Systems und des sympathischen Nervensystems gewährleistet. Muskelkontraktion führt zu einer erhöhten Aufnahme von Glukose in den Muskel und gleichzeitig zu einer gesteigerten Glukosefreisetzung aus den Speichern der Leber sowie zu einer Mobilisierung von alternativen Energieträgern wie freien Fettsäuren (250). Durch eine Steigerung der Trainingsintensität und Dauer wird zunehmend Glukose als Energieträger in den Muskel aufgenommen [5].

Während in Ruhe Glukose nur durch die Wirkung von Insulin in den Muskel gelangt, stimuliert Muskelkontraktion die insulinunabhängige Aufnahme. Diese ist nicht durch Insulinmangel oder Resistenz gestört.

Studien haben gezeigt, dass moderates aerobes Ausdauertraining den Blutzuckerspiegel akut senkt, aber mit der Möglichkeit einer kompensatorischen Hyperglykämie in den ersten 24 Stunden nach dem Training einhergeht. Dies ist auf die gesteigerte Glukosefreisetzung aus der Leber zurückzuführen, die nicht synchron mit der Muskelaktivität endet [6].

Ein Muskelaufbautraining hingegen zeigt während des Trainings keinen signifikanten Effekt auf den Blutzuckerspiegel. Durch die Steigerung der Muskelmasse wird allerdings die gesamte Glukoseaufnahmefähigkeit unabhängig von der Insulinresistenz der einzelnen Zelle permanent gesteigert.

Krafttraining und Ausdauertraining – Die Empfehlung

Die aktuellen Forschungsergebnisse lassen somit darauf schließen, dass ein kombiniertes Kraft-Ausdauer-Training den Blutzuckerspiegel effektiver beeinflusst als ein einseitiges Training. The American College of Sports Medicine und The American Diabetes Association empfehlen deshalb mindestens zweimal wöchentlich ein moderates Muskelaufbautraining in Kombination mit einem regelmäßigen aeroben Ausdauertraining. Dieses Training sollte laut ihren Empfehlungen in jedem Fall von einem qualifizierten Trainer betreut werden, um einen optimalen Effekt auf den Blutzuckerspiegel zu erzielen und Verletzungen vorzubeugen [7].

Autor

Marius Schulz-SchönhagenDr. med. Marius Schulz-Schönhagen

– Studium der Medizin an der Ruprecht-Karls Universität Heidelberg von 2006 bis 2012

– Promotion über das Thema „Die therapeutische Wirksamkeit einer endovaskulären Mitralklappenrekonstruktion mittels Clips an Hochrisikopatienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Ejektionsfraktion“ im Jahr 2013

– 2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bundesverbandes der AOK und Facharztausbildung am Sankt Gertrauden Krankenhaus in Berlin

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[1] U.S. Department of Health and Human Services Centers for Disease Control and Prevention. National Diabetes Fact Sheet: General Information and National Estimates on Diabetes in the United States, 2007. Atlanta (GA): U.S. Department of Health and Human Services Centers for Disease Control and Prevention; 2008

[2] American Diabetes Association. Diagnosis and classification of diabetes mellitus. Diabetes Care 2010;33(1 Suppl.):S62–9

[3] American Diabetes Association. Standards of medical care in diabetes 2010. Diabetes Care 2010;33(Suppl. 1):S11–S61

[4] Armit CM, Brown WJ, Marshall AL, et al. Randomized trial of three strategies to promote physical activity in general practice. Prev Med 2009;48(2):156–63

[5]       Boon H, Blaak EE, Saris WH, Keizer HA, Wagenmakers AJ, van Loon LJ. Substrate source utilisation in long-term diagnosed type 2 diabetes patients at rest and during exercise and subsequent recovery. Diabetologia 2007;50(1):103–12

[6] Marliss EB, Vranic M. Intense exercise has unique effects on both insulin release and its roles in glucoregulation: implications for diabetes. Diabetes 2002;51(Suppl. 1):S271–S283

[7] Balducci S, Zanuso S, Nicolucci A, et al. Effect of an intensive exercise intervention strategy on modifiable cardiovascular risk factors in type 2 diabetic subjects. A randomized controlled trial: The Italian Diabetes and Exercise Study (IDES). Arch Intern Med. In press

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